Es gibt immer wieder psychische Störungen, die körperliche Ursachen haben. So spielt beispielsweise eine auffällige Neurotransmitteraktivität eine Rolle bei der Genese der generalisierten Angststörung, der Panikstörung und der depressiven Störung. Heute wissen die Kliniker auch, dass somatische oder körperliche Erkrankungen psychische Ursachen haben können. Im Grunde ist diese Vorstellung gar nicht neu. Man kann sie bis in das vierte Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zurück verfolgen. Schon Sokrates meinte, man dürfe den Körper nicht ohne die Seele behandeln.
Obwohl sie bis in die Antike zurück reicht, hatte die Idee, dass psychische Faktoren körperliche Krankheiten mit verursachen können, vor dem 20. Jahrhundert wenig Anziehungskraft. Besonders unpopulär war sie in der Renaissance, als die Medizin eine Wissenschaft nach dem Vorbild der Physik wurde und die Wissenschaftler sich der Suche nach den objektiven „Tatsachen“ verpflichtet fühlten. Damals überließ man den Geist den Priestern und Philosophen; der Körper war die Domäne der Ärzte und Wissenschaftler. In den letzten 100 Jahren bewegte sich die Medizin stetig auf ein interaktives Verständnis körperlicher Erkrankungen zu. Klinische Forschungsarbeiten und Beobachtungen überzeugten die Mediziner, dass viele Erkrankungen psychogen sind – mitverursacht von psychischen Faktoren wie Sorgen, familiäre Belastungen und unbewussten Bedürfnissen. Manche dieser körperlichen Erkrankungen, die heute als somatoforme Störungen bezeichnet werden, werden wahrscheinlich ausschließlich von psychischen Faktoren verursacht. Andere, die psychosomatischen Störungen, entstehen vermutlich aufgrund einer Wechselwirkung von organischen und psychischen Faktoren.
Wenn eine körperliche Erkrankung ohne ausreichendem Befund vorliegt, vermuten die Ärzte möglicherweise eine somatoforme Störung: körperliche Beschwerden, die ausschließlich in psychischen Ursachen wurzeln. Die Patienten berichten wiederholt von körperlichen Symptomen in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind. Wenn somatische Störungen vorhanden sind, erklären sie nicht die Art und das Ausmaß der Symptome, das Leiden und die innerliche Beteiligung des Patienten. Im Gegensatz zu Menschen mit vorgetäuschten Störungen haben die Patienten mit somatoformen Störungen nicht das Gefühl, ihre Symptome willentlich zu erzeugen oder zu kontrollieren. Sie kommen meist gar nicht auf den Gedanken, dass ihre Probleme andere als organische Ursachen haben könnten.
Manche somatoforme Störungen wie die Konversionsstörung äußern sich als realer Verlust oder reale Beeinträchtigung körperlicher Funktionen. Die Betroffenen entwickeln beispielsweise dramatische körperliche Symptome oder Defizite, die die Willkürbewegung oder die Sinnesfunktion beeinträchtigen. Menschen mit Somatisierungsstörung entwickeln zahlreiche körperliche Symptome. Menschen mit einer Schmerzstörung leiden unter Schmerz, der nicht vorwiegend einer organischen Ursache zuzuschreiben ist.
Bei anderen somatoformen Störungen wie der Hypochondrie sind die Körperfunktionen höchstens minimal beeinträchtigt. Menschen mit dieser Störung beschäftigen sich jedoch übermäßig mit der Vorstellung, sie hätten eine körperliche Krankheit. Sie deuten Schwankungen ihrer Körperfunktionen irrtümlich und unaufhörlich als Anzeichen einer schweren Erkrankung. Diejenigen mit einer körperdysmorphen Störung beschäftigen sich übermäßig mit einem eingebildeten Mangel in ihrer äußeren Erscheinung.
Die somatoformen Störungen, bei denen sich Körperfunktionen verändern oder verloren gehen, sind oft schwer von Problemen mit einer organischen Grundlage zu unterscheiden. Die Symptome dieser Störungen können in zahlreichen Formen erscheinen und beeinträchtigen das Leben der Patienten in der Regel erheblich.
Das Lebenszeitrisiko, an einer somatoformen Störung im Laufe des Lebens zu erkranken wird bei 18- bis 64-jährigen auf ca. 13 % geschätzt.
Die Somatisierungsstörung ist gekennzeichnet durch multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die wenigstens zwei Jahre bestehen. Die meisten Patienten haben eine lange und komplizierte Vorgeschichte mit vielen körperlichen Beschwerden, die vor dem 30. Lebensjahr begannen, über mehrere Jahre auftraten und zum Aufsuchen einer Behandlung oder zu deutlichen Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen führten. Untersuchungen, sowohl in der Primärversorgung als auch in spezialisierten medizinischen Einrichtungen, führten meistens zu negativen Befunden und explorative Operationen waren ergebnislos. Die Symptome können sich auf jeden Körperteil oder jedes System des Körpers beziehen. Der Verlauf der Störung ist chronisch und fluktuierend und häufig mit einer langdauernden Störung des sozialen, interpersonalen und familiären Verhaltens verbunden. Das Vollbild der Somatisierungsstörung ist mit < 0,01 – 0,84% sehr selten.
Bei der hypochondrischen Störung besteht das vorherrschende Kennzeichen in einer beharrlichen Beschäftigung mit der Möglichkeit, an einer oder mehreren schweren und fortschreitenden körperlichen Krankheiten zu leiden. Die Patienten manifestieren anhaltende körperliche Beschwerden oder anhaltende Beschäftigung mit ihren körperlichen Phänomenen. Normale oder allgemeine Körperwahrnehmungen und Symptome werden von dem betreffenden Patienten oft als abnorm und belastend interpretiert und die Aufmerksamkeit meist auf nur ein oder zwei Organe oder Organsysteme des Körpers fokussiert. Depression und Angst finden sich häufig. Das Lebenszeitrisiko, an einer Hypochondrie im Laufe des Lebens zu erkranken wird bei 18- bis 64-jährigen auf ca. 0,2 % geschätzt.
Bei der somatoformen autonomen Funktionsstörung werden die Symptome vom Patienten so geschildert, als beruhten sie auf der körperlichen Krankheit eines Systems oder eines Organs, das weitgehend oder vollständig vegetativ innerviert und kontrolliert wird, so etwa des kardiovaskulären, des gastrointestinalen, des respiratorischen oder des urogenitalen Systems. Es finden sich meist zwei Symptomgruppen, die beide nicht auf eine körperliche Krankheit des betreffenden Organs oder Systems hinweisen. Die erste Gruppe umfasst Beschwerden, die auf objektivierbaren Symptomen der vegetativen Stimulation beruhen wie etwa Herzklopfen, Schwitzen, Erröten, Zittern. Sie sind Ausdruck der Furcht vor und Beeinträchtigung durch eine(r) somatische(n) Störung. Die zweite Gruppe beinhaltet subjektive Beschwerden unspezifischer und wechselnder Natur, wie flüchtige Schmerzen, Brennen, Schwere, Enge und Gefühle, aufgebläht oder auseinander gezogen zu werden, die vom Patienten einem spezifischen Organ oder System zugeordnet werden.
Diese Diagnose können Menschen erhalten, die an schweren oder anhaltenden Schmerzen leiden, bei deren Einsetzen psychische Faktoren eine bedeutsame Rolle spielen. Der Schmerz kann in jedem Körperteil auftreten. Patienten mit Konversions- oder Somatisierungsstörung können auch an Schmerzen ohne eine vorherrschende organische Ursache leiden, doch bei einer Schmerzstörung bilden diese das Hauptsymptom.
Das Lebenszeitrisiko, an einer Schmerzstörung im Laufe des Lebens zu erkranken wird bei 18- bis 64-jährigen auf ca. 12 % geschätzt. Frauen leiden offenbar häufiger daran als Männer. Die Störung kann in jedem Alter beginnen und hält in manchen Fällen jahrelang an.
Oft entwickelt sich eine Schmerzstörung nach einem Unfall oder während einer Erkrankung, die Schmerzen verursachte. Der Schmerz wird jedoch schließlich stärker oder anhaltender, als es organische Faktoren erklären können und führt zu bedeut-samen Leiden und/oder deutlichen Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Der Schmerz wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht (wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation).
Die vorherrschende Beschwerde bei der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ist ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht hinreichend erklärt werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen auf, denen die Hauptrolle für Beginn, Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen zukommt. Die Folge ist meist eine beträchtlich gesteigerte persönliche oder medizinische Hilfe und Unterstützung.
Im Vordergrund des klinischen Bildes der chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren stehen seit mindestens 6 Monaten bestehende Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren wird eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn.
Denken Sie an eine Gelegenheit, wo sich Ihre Atmung beschleunigte, Ihre Muskeln anspannten und Ihr Herz in einem plötzlichen Angstgefühl klopfte. War das, als Ihr Wagen im Regen beinahe von der Straße gerutscht wäre? Als Ihr Professor eine Klausur ankündigte? Und als die Person, an der Ihnen am meisten liegt, mit jemand anderen ausging, oder als Ihr Chef Ihnen erklärte, Ihre Leistung müsse sich verbessern? Jedesmal, wenn Sie an einer vermeintlichen Bedrohung Ihres Wohlergehens konfrontiert sind, reagieren Sie vielleicht mit dem als Furcht bekannten Spannungs- oder Alarmzustand. Manchmal können Sie zwar keinen genauen Grund für Ihre Beunruhigung nennen, aber Sie sind trotzdem gespannt und nervös, als ob gleich etwas Unangenehmes passieren würde. Das ungute Gefühl, von einer unspezifischen Gefahr bedroht zu sein, heißt gewöhnlich Angst, und sie weist dieselben klinischen Merkmale auf Atembeschleunigung, Muskelspannung, Schwitzen und so weiter - wie Furcht.
Zwar sind alltägliche Furcht- und Angsterfahrungen nicht angenehm, doch sie dienen der Anpassung: Sie bereiten uns auf Handeln vor - auf „Flucht“ oder „Kampf“ -, wenn Gefahr droht. Sie können uns dazu veranlassen, bei einem Unwetter vorsichtiger zu fahren, regelmäßig zu lernen, unsere Freundin oder unseren Freund aufmerksamer zu behandeln und uns im Beruf mehr anzustrengen. Unglücklicherweise leiden manche Menschen an einer derart dauerhaften und behindernden Angst, dass sie kein normales Leben führen können. Ihr Unbehagen ist zu tief oder es tritt zu häufig ein; es hält zu lange an; es wird zu leicht von Bedrohungen ausgelöst, von denen die Betroffenen selbst wissen, dass sie geringfügig, nicht auszumachen oder gar nicht vorhanden sind. Bei diesen Menschen spricht man von einer Angststörung.
Menschen mit Phobien leiden an einer nachhaltigen und unvernünftigen Furcht vor bestimmten Objekten, Tätigkeiten oder Situationen. Menschen mit einer generalisierten Angststörung erleben allgemeine und anhaltende Angstgefühle, die nicht mit spezifischen Gegenständen oder Situationen verknüpft sind. Menschen mit einer Panikstörung erleben wiederkehrende Attacken intensivster Angst. Diejenigen mit einer Zwangsstörung leiden unter stets wiederkehrenden und unerwünschten Gedanken, die Angst auslösen, oder dem Drang, wiederholte, stereotype Handlungen auszuführen, um Angst zu reduzieren. Menschen mit akuter Belastungsstörung und posttraumatischer Belastungsstörung werden lange nach dem Ende eines traumatischen Ereignisses (Krieg, Vergewaltigung, Folter) von Furcht und verwandten Symptomen gequält.
Als Phobien wird eine Gruppe von Störungen zusammengefasst, bei der Angst ausschließlich oder überwiegend durch eindeutig definierte, eigentlich ungefährliche Situationen hervorgerufen wird. Menschen mit einer Phobie beginnen, sich zu fürchten, wenn sie nur an den gefürchteten Gegenstand oder Umstand denken, sind jedoch in ihren gewöhnlichen Aktivitäten und Beziehungen gewöhnlich solange unbeeinträchtigt, wie sie das Objekt oder Gedanken daran vermeiden. Menschen mit Phobien vermeiden das gefürchtete Objekt oder die Situation selbst nach scheinbar harmlosen Interaktionen damit weiter. Die Befürchtungen der Patienten können sich auf Einzelsymptome wie Herzklopfen oder Schwächegefühl beziehen, häufig gemeinsam mit sekundären Ängsten vor dem Sterben, Kontrollverlust oder dem Gefühl, wahnsinnig zu werden. Allein die Vorstellung, dass die phobische Situation eintreten könnte, erzeugt meist schon Erwartungsangst. Die meisten Betroffenen sind sich durchaus bewusst, dass ihre Furcht übertrieben und unvernünftig ist. Viele wissen nicht, wann und wie ihre Ängste begannen. Das Vermeidungsverhalten, die ängstliche Erwartungshaltung oder das starke Unbehagen in den gefürchteten Situationen beeinträchtigen deutlich die Lebensführung, oder verursacht erhebliches Leiden.
Als Agoraphobie wird eine relativ gut definierte Gruppe von Phobien, mit Befürchtungen, das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein, alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen, bezeichnet. Eine Panikstörung kommt als häufiges Merkmal bei gegenwärtigen oder zurückliegenden Episoden vor. Depressive und zwanghafte Symptome sowie soziale Phobien sind als zusätzliche Merkmale gleichfalls häufig vorhanden. Die Vermeidung der phobischen Situation steht oft im Vordergrund, so dass einige Agoraphobiker nur wenig Angst erleben, da sie die phobischen Situationen meiden können. Das Lebenszeitrisiko, an einer Agoraphobie im Laufe des Lebens zu erkranken wird auf ca. 6 % geschätzt.
Die soziale Phobie ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte und über mehrere Monate anhaltende Angst vor einer oder mehreren sozialen oder Leistungssituationen. Die Betroffenen fürchten, gedemütigt zu werden oder sich peinlich zu verhalten. Die Konfrontation mit der gefürchteten Situation ruft fast immer eine unmittelbare Angstreaktion hervor. Die Symptome können sich bis zu Panikattacken steigern. Die Patienten erkennen, dass die Angst übertrieben und unvernünftig ist. Die gefürchteten Situationen werden vermieden oder unter intensiver Angst ertragen. Umfassendere soziale Phobien sind in der Regel mit niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Sie können sich unter anderem in Beschwerden wie Erröten, Händezittern, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen äußern. Dabei meint die betreffende Person manchmal, dass eine dieser sekundären Manifestationen der Angst das primäre Problem darstellt. Das Lebenszeitrisiko, an einer sozialen Phobie im Laufe des Lebens zu erkranken wird auf ca. 7 % geschätzt.
Unter spezifischer Phobie versteht man Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene Räume, Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen Toiletten, Genuss bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch oder auf den Anblick von Blut oder Verletzungen beschränkt sind. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei der Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen. Das Lebenszeitrisiko, an einer spezifischen Phobie im Laufe des Lebens zu erkranken wird auf ca. 11 % geschätzt.
Das wesentliche Kennzeichen der Panikstörung sind wiederkehrende schwere Angstattacken (Panik), die sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken und deshalb auch nicht vorhersehbar sind. Wie bei anderen Angsterkrankungen zählen zu den wesentlichen Symptomen plötzlich auftretendes Herzklopfen, Brustschmerz, Erstickungsgefühle, Schwindel und Entfremdungsgefühle (Depersonalisation oder Derealisation). Oft entsteht sekundär auch die Furcht zu sterben, vor Kontrollverlust oder die Angst, wahnsinnig zu werden. Das Lebenszeitrisiko, an einer Panikstörung im Laufe des Lebens zu erkranken wird auf 3 bis 4 % geschätzt.
Die generalisierte Angststörung ist durch generalisierte, übermäßige und unkontrollierte Angst und Sorge über sechs Monate an der Mehrzahl der Tage charakterisiert. Die Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen beziehen sich auf eine Vielzahl alltäglicher Ereignisse und Probleme. Die Angst ist nicht auf bestimmte Umgebungsbedingungen beschränkt oder auch nur besonders betont in bestimmten Situationen; sie ist vielmehr „frei flottierend“. Die wesentlichen Symptome sind variabel. Beschwerden wie ständige Nervosität, Ruhelosigkeit, ständig „Auf-dem-Sprung-sein“, leichte Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle, Oberbauchbeschwerden oder Schlafstörungen gehören zu diesem Bild. Häufig wird die Befürchtung geäußert, der Patient selbst oder ein Angehöriger könnten demnächst erkranken oder einen Unfall haben. Das Lebenszeitrisiko, an einer generalisierten Angststörung im Laufe des Lebens zu erkranken wird auf 3 bis 5 % geschätzt.
Menschen mit einer Zwangsstörung erleben wiederkehrende Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen an den meisten Tagen über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen.
Dabei sind Zwangsgedanken Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Menschen immer wieder stereotyp beschäftigen. Sie können die Form von zwanghaften Ideen, bildhaften Vorstellungen oder Zwangsimpulsen annehmen, die fast immer für die betreffende Person quälend sind. Die häufigsten Zwangsgedanken sind: wiederkehrende Gedanken, sich zu kontaminieren; wiederkehrende Zweifel; Bedürfnis, Dinge in einer ganz bestimmten Ordnung zu haben; aggressive oder schreckliche Impulse; sexuelle oder blasphemische Vorstellungen. Manchmal sind diese Ideen eine endlose Überlegung unwägbarer Alternativen, häufig verbunden mit der Unfähigkeit, einfache, aber notwendige Entscheidungen des täglichen Lebens zu treffen. Der Betroffene versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt, selbst wenn sie als unwillkürlich und häufig abstoßend empfunden werden.
Zwangshandlungen oder -rituale sind Stereotypien, die ständig wiederholt werden. Die meisten Zwangshandlungen beziehen sich auf Reinlichkeit (besonders Hände waschen), wiederholte Kontrollen, die garantieren, dass sich eine möglicherweise gefährliche Situation nicht entwickeln kann oder übertriebene Ordnung und Sauberkeit. Sie werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu, an sich nützliche Aufgaben zu erfüllen. Der Mensch erlebt sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das ihm Schaden bringen oder bei dem er selbst Unheil anrichten könnte. Im allgemeinen wird dieses Verhalten als sinnlos und ineffektiv erlebt, es wird immer wieder versucht, dagegen anzugehen. Angst ist meist ständig vorhanden. Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich.
Das Lebenszeitrisiko, an einer Zwangsstörung im Laufe des Lebens zu erkranken wird auf ca. 2 % geschätzt.
Die zu dieser Gruppe gehörigen Störungen unterscheiden sich von den übrigen Angststörungen nicht nur aufgrund der Symptomatologie und des Verlaufs, sondern auch durch die Angabe von ein oder zwei ursächlichen Faktoren: ein außergewöhnlich belastendes Lebensereignis, das eine akute Belastungsreaktion hervorruft, oder eine besondere Veränderung im Leben, die zu einer anhaltend unangenehmen Situation geführt hat und eine Anpassungsstörung hervorruft. Obwohl weniger schwere psychosoziale Belastungen ("life events") den Beginn und das Erscheinungsbild auch zahlreicher anderer Störungen auslösen und beeinflussen können, ist ihre ursächliche Bedeutung doch nicht immer ganz klar. In jedem Fall hängt sie zusammen mit der individuellen Verletzbar-/Anfälligkeit. Das heißt, die Lebensereignisse sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten und die Art der Krankheit zu erklären. Im Gegensatz dazu entstehen die hier aufgeführten Störungen immer als direkte Folge der akuten schweren Belastung oder des kontinuierlichen Traumas. Das belastende Ereignis oder die andauernden, unangenehmen Umstände sind primäre und ausschlaggebende ursächliche Faktoren. Die Störung wäre ohne ihre Einwirkung nicht entstanden. Die Störungen dieses Abschnittes können insofern als Anpassungsstörungen bei schwerer oder kontinuierlicher Belastung angesehen werden, als sie erfolgreiche Bewältigungsstrategien behindern und aus diesem Grunde zu Problemen der sozialen Funktionsfähigkeit führen.
Die akute Belastungsreaktion ist eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht deutlich erkennbar gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt, und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Die individuelle Vulnerabilität (Verletzbarkeit) und die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen (Coping-Strategien) spielen bei Auftreten und Schweregrad der akuten Belastungsreaktionen eine Rolle. Die Symptomatik zeigt typischerweise ein gemischtes und wechselndes Bild, beginnend mit einer Art von „Betäubung“, mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit. Diesem Zustand kann ein weiteres Sichzurückziehen aus der Umweltsituation folgen oder aber ein Unruhezustand und Überaktivität. Vegetative Zeichen panischer Angst wie Herzrasen, Schwitzen und Erröten treten zumeist auf. Die Symptome erscheinen im allgemeinen innerhalb von Minuten nach dem belastenden Ereignis und gehen innerhalb von zwei oder drei Tagen, oft innerhalb von Stunden zurück. Teilweiser oder vollständiger Erinnerungsverlust bezüglich dieser Episode kann vorkommen.
Die Posttraumatische Belastungsstörung entsteht als eine verzögerte oder verlängerte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Verzögerung, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.
Die Häufigkeit von posttraumatischen Belastungsstörung ist abhängig von der Art des Traumas, z.B.: ca. 50% Prävalenz nach Vergewaltigung, ca. 25% nach anderen Gewaltverbrechen, ca. 50% bei Kriegs- und Vertreibungsopfer, ca. 15% bei Verkehrsunfallopfern, ca. 15% bei schweren Organerkrankungen, (Herzinfarkt, Malignome). Das Lebenszeitrisiko in der Allgemeinbevölkerung liegt zwischen 2% und 7%. Die Prävalenz subsyndromaler Störungsbilder ist wesentlich höher. Es besteht eine hohe Chronifizierungsneigung wird auf ca. 2 % geschätzt.
Bei der Anpassungsstörung handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). Die individuelle Anfälligkeit spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein. Hervorstechendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein.
Die Stimmungen der meisten Menschen wechselt. Gefühle wie Heiterkeit oder Traurigkeit sind verständliche Reaktionen auf alltägliche Ereignisse; sie ändern sich rasch, ohne dass davon der Grundtenor des Lebens beeinflusst würde. Bei Menschen mit affektiven Störungen dagegen besteht meist eine sehr dauerhafte Stimmungslage, die alle ihre Interaktionen mit der Welt färbt und ihr übliches Erleben und Verhalten stört. Diesen Menschen werden praktisch alle Handlungen von ihrer alles beherrschenden Stimmung diktiert.
Depression und Manie sind die dominierenden Emotionen bei affektiven Störungen. Depression ist ein Zustand der Niedergeschlagenheit und Traurigkeit, in dem das Leben trostlos und seine Anforderungen unerfüllbar erscheinen. Manie, der Gegenpol der Depression, ist ein Zustand schier unerschöpflicher Hochstimmung oder zumindest rastloser Energie, in dem die Betroffenen die übertriebene Überzeugung hegen, die Welt liege ihnen zu Füßen. Die meisten Menschen mit einer affektiven Störung leiden ausschließlich an einer Depression. Andere haben Phasen von Manie, die mit depressiven Phasen abwechseln: bipolare Störung. Die meisten der affektiven Störungen neigen zu Rückfällen. Der Beginn der einzelnen Episoden ist oft mit belastenden Ereignissen oder Situationen in Zusammenhang zu bringen.
Depressionen und/oder Dysthymien gehören weltweit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Das Lebenszeitrisiko, an einer Depression im Laufe des Lebens zu erkranken wird nach neueren Studien bei Erwachsenen auf nahezu 20% geschätzt. Es gibt Hinweise darauf, dass das Erkrankungsrisiko in den letzten Jahrzehnten angestiegen ist. Bei der bipolaren Störung liegt das Erkrankungsrisiko bei ca. 1%, ähnlich der Manie.
Die Hypomanie ist charakterisiert durch eine - über mehrere Tage und täglich die meiste Zeit - anhaltende, leicht gehobene Stimmung, gesteigerten Antrieb und Aktivität und in der Regel auch ein auffallendes Gefühl von Wohlbefinden und körperlicher und seelischer Leistungsfähigkeit. Gesteigerte Geselligkeit, Gesprächigkeit, übermäßige Vertraulichkeit, gesteigerte Libido und vermindertes Schlafbedürfnis sind häufig vorhanden, aber nicht in dem Ausmaß, dass sie zu einem Abbruch der Berufstätigkeit oder zu sozialer Ablehnung führen. Reizbarkeit, Selbstüberschätzung und flegelhaftes Verhalten können an die Stelle der häufigen euphorischen Geselligkeit treten. Die Störungen der Stimmung und des Verhaltens werden nicht von Halluzinationen oder Wahn begleitet.
Bei der Manie ist die Stimmung - über mehrere Tage und täglich die meiste Zeit - situationsinadäquat gehoben und kann zwischen sorgloser Heiterkeit sowie fast unkontrollierbarer Erregung schwanken. Die gehobene Stimmung ist mit vermehrtem Antrieb verbunden, dies führt zu Überaktivität, Rededrang und vermindertem Schlafbedürfnis. Die Aufmerksamkeit kann nicht mehr aufrechterhalten werden, es kommt oft zu starker Ablenkbarkeit. Die Selbsteinschätzung ist mit Größenideen oder übertriebenem Optimismus häufig weit überhöht. Der Verlust normaler sozialer Hemmungen kann zu einem leichtsinnigen, rücksichtslosen oder in Bezug auf die Umstände unpassenden und persönlichkeitsfremden Verhalten führen. Manchmal treten zusätzlich Wahn (zumeist Größenwahn) oder Halluzinationen (zumeist Stimmen, die unmittelbar zum Betroffenen sprechen) auf. Dabei können die Erregung, die ausgeprägte körperliche Aktivität und die Ideenflucht so extrem sein, dass der Betroffene für eine normale Kommunikation unzugänglich wird.
Hierbei handelt es sich um eine Störung, die durch wenigstens zwei Episoden charakterisiert ist, in denen Stimmung und Aktivitätsniveau des Betroffenen deutlich gestört sind. Diese Störung besteht einmal in gehobener Stimmung, vermehrtem Antrieb und Aktivität (Hypomanie oder Manie), dann wieder in einer Stimmungssenkung und vermindertem Antrieb und Aktivität (Depression).
Bei den typischen depressiven Episoden, leidet der betroffene Patient zwei Wochen oder länger (nahezu täglich die meiste Zeit) unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust.
Hierbei handelt es sich um anhaltende und meist fluktuierende Stimmungsstörungen, bei denen die Mehrzahl der einzelnen Episoden nicht ausreichend schwer genug sind, um als hypomanische oder auch nur leichte depressive Episoden gelten zu können. Da sie jahrelang, manchmal den größeren Teil des Erwachsenenlebens, andauern, ziehen sie beträchtliches subjektives Leiden und Beeinträchtigungen nach sich.
Bei der Zyklothymia handelt es sich um eine andauernde Instabilität der Stimmung mit zahlreichen Perioden von Depression und leicht gehobener Stimmung (Hypomanie), von denen aber keine ausreichend schwer und anhaltend genug ist, um die Kriterien für eine bipolare affektive Störung oder Depression zu erfüllen.
Bei der Dysthymia handelt es sich um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer Depression zu erfüllen.
Weil die westliche Gesellschaft Schlankheit mit Gesundheit und Schönheit gleichsetzt, beschäftigen sich die meisten von uns sowohl mit der Menge als auch mit dem Geschmack und dem Nährwert der Nahrung, die wir zu uns nehmen. Man muss nur die Artikel über Ernährung und Diäten zählen, um sich davon zu überzeugen, dass Schlanksein zu einer allgemeinen Besessenheit geworden ist. Es ist vielleicht kein Zufall, dass wir in den letzten Jahrzehnten auch Zeugen der Zunahme zweier dramatischer Essstörungen wurden, deren Kern eine krankhafte Angst vor Gewichtszunahme bildet. Opfer der Anorexia nervosa, auch als Magersucht bezeichnet, streben unbeirrbar danach, extrem dünn zu sein, und nehmen soviel ab, dass sie sogar verhungern können. Menschen mit Bulimia nervosa, auch als Ess- Brech-Sucht bezeichnet, haben häufig wahre Fressanfälle, in denen sie unkontrolliert große Mengen Nahrungsmittel in sich hineinstopfen. Dann zwingen sie sich, sie wieder zu erbrechen oder greifen zu anderen drastischen Maßnahmen, um nicht zuzunehmen.
Die Anorexia ist durch einen absichtlich selbst herbeigeführten oder aufrechterhaltenen Gewichtsverlust charakterisiert. Der Gewichtsverlust wird durch Vermeidung von hochkalorischen Speisen; und eine oder mehrere der folgenden Möglichkeiten: selbst induziertes Erbrechen, selbst induziertes Abführen, übertriebene körperliche Aktivität, Gebrauch von Appetitzüglern und/oder Diuretika herbei geführt. Das tatsächliche Körpergewicht liegt mindestens 15 % unter dem erwarteten (entweder durch Gewichtsverlust oder nie erreichtes Gewicht) oder Body-Mass-Index (BMI) von 17,5 kg/m² oder weniger. Am häufigsten ist die Störung bei heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen; heranwachsende Jungen und junge Männer, Kinder vor der Pubertät und Frauen bis zur Menopause können ebenfalls betroffen sein. Das Lebenszeitrisiko, an einer Anorexia im Laufe des Lebens zu erkranken wird bei Frauen auf ca. 0,5 % und bei Männern auf ca. 0,05 % geschätzt. Die Krankheit ist mit einer spezifschen Psychopathologie verbunden, wobei die Angst vor einem dicken Körper und einer schlaffen Körperform als eine tiefverwurzelte überwertige Idee besteht und die Betroffenen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst festlegen. Es liegt meist Unterernährung unterschiedlichen Schweregrades vor, die sekundär zu endokrinen und metabolischen Veränderungen und zu körperlichen Funktionsstörungen führt (z.B. Ausbleiben der Menarche). Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklungsschritte verzögert oder gehemmt (Wachstumsstopp; fehlende Brustentwicklung und primäre Amenorrhoe beim Mädchen, bei Knaben bleiben die Genitalien kindlich). Die Mortalitätsrate ist hoch und liegt zwischen 5 und 20 %.
Die Bulimia nervosa ist durch wiederholte Anfälle von Heißhunger und eine übertriebene Beschäftigung mit der Kontrolle des Körpergewichts charakterisiert ist. Die Betroffenen beschäftigen sich andauernd mit Essen, verspüren eine unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln und erliegen Essattacken, bei denen große Mengen oft hochkalorischer Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert werden. Die Patienten versuchten, dem dickmachenden Effekt der Nahrung durch verschiedene Verhaltensweisen entgegenzusteuern: selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika. Wenn die Bulimie bei Diabetikern auftritt, kann es zu einer Vernachlässigung der Insulinbehandlung kommen. Es besteht eine auffällig krankhafte Furcht davor, dick zu werden. Die Betroffenen setzten sich eine scharf definierte Gewichtsgrenze, weit unter dem prämorbiden, vom Arzt als optimal oder „gesund“ betrachteten Gewicht. Viele psychische Merkmale dieser Störung ähneln denen der Anorexia nervosa, so die übertriebene Sorge um Körperform und Gewicht. Wiederholtes Erbrechen kann zu Elektrolytstörungen und körperlichen Komplikationen führen. Häufig lässt sich in der Anamnese eine frühere Episode einer Anorexia nervosa mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren nachweisen. Das Lebenszeitrisiko, an einer Bulimia im Laufe des Lebens zu erkranken wird bei Frauen auf ca. 0,5 % bis 3 % und bei Männern auf ca. 0,2 % geschätzt.
Schlaf ist entscheidend für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Ohne Schlaf verhalten sich Menschen eigenartig und haben seltsame Erlebnisse. Studien zufolge führt ein Schlafentzug von 100 Stunden zu Halluzinationen, Verfolgungswahn und bizarrem Verhalten. Wenn Menschen mit Schlafentzug sich an einfachen Aufgaben versuchen, so stellen sie fest, dass sich ihre kognitiven und motorischen Funktionen verschlechtert haben. Überraschenderweise können sie jedoch Aufgaben, die hohe Konzentration und Fertigkeiten erfordern, mit großer Gewandtheit ausführen. Physiologische Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass Menschen, die mehr als 200 Stunden wach bleiben, häufig zwei bis drei Sekunden dauernde Phasen von „Mikroschlaf“ haben. Anscheinend weigert sich der Körper, über einen längeren Zeitraum völlig ohne Schlaf auszukommen. Die merkwürdigen Auswirkungen von Schlafentzug verschwinden völlig, die Person eine Erholungsschlafphase bekommt.
Wenn wir nicht ausreichend schlafen können oder der normale Schlafzyklus gestört ist, leiden wir. Manche Schlafstörungen treten unabhängig von sonstigen psychischen oder körperlichen Störungen auf; andere erscheinen gemeinsam mit psychischen oder körperlichen Störungen. Entweder als deren Folge oder als Nebenwirkung der Pharmaka, die die Störungen behandeln sollen. Die folgenden Schlafstörungen umfassen nur solche, bei denen emotionale Ursachen als primärer Faktor aufgefasst werden, und die nicht durch anderenorts klassifizierte körperliche Störungen verursacht werden.
Man unterscheidet die Dyssomien, Schlafstörungen, bei denen über einen längeren Zeitraum Quantität, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafes gestört ist. Dazu gehört die nichtorganische Insomnie. Es ist ein Zustandsbild mit einer ungenügenden Dauer und Qualität des Schlafes, das über einen beträchtlichen Zeitraum besteht und Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen und frühmorgendliches Erwachen einschließt. Insomnie ist ein häufiges Symptom vieler psychischer und somatischer Störungen. Die nichtorganische Hypersomnie ist definiert entweder als Zustand exzessiver Schläfrigkeit während des Tages und Schlafattacken - die nicht durch eine inadäquate Schlafdauer erklärbar sind - oder durch verlängerte Übergangszeiten bis zum Wachzustand nach dem Aufwachen. Bei Fehlen einer organischen Ursache für die Hypersomnie ist dieses Zustandsbild gewöhnlich mit anderen psychischen Störungen verbunden. Die nichtorganische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus ist definiert als Mangel an Synchronizität zwischen dem individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus und dem erwünschten Schlaf-Wach-Rhythmus der Umgebung. Dies führt zu Klagen über Schlaflosigkeit und Hypersomnie. Die Krankheitshäufigkeit von Dyssomnien liegt bei ca. 12 %.
Von den Dyssomien grenzt man die Parasomnien ab, bei denen wiederholt während des Schlafes abnorme Ereignisse auftreten. Dazu gehört das Schlafwandeln oder Somnambulismus als ein Zustand veränderter Bewusstseinslage, in dem Phänomene von Schlaf und Wachsein kombiniert sind. Während einer schlafwandlerischen Episode verlässt die betreffende Person das Bett, häufig während des ersten Drittels des Nachtschlafes, geht umher, zeigt ein herabgesetztes Bewusstsein, verminderte Reaktivität und Geschicklichkeit. Nach dem Erwachen besteht meist keine Erinnerung an das Schlafwandeln mehr. Beim Pavor nocturnus treten nächtliche Episoden äußerster Furcht und Panik mit heftigem Schreien, Bewegungen und starker autonomer Erregung auf. Die betroffene Person setzt sich oder steht mit einem Panikschrei auf, gewöhnlich während des ersten Drittels des Nachtschlafes. Häufig stürzt sie zur Tür wie um zu entfliehen, meist aber ohne den Raum zu verlassen. Nach dem Erwachen fehlt die Erinnerung an das Geschehen oder ist auf ein oder zwei bruchstückhafte bildhafte Vorstellungen begrenzt. Alpträume (Angstträume) sind definiert als Traumerleben voller Angst oder Furcht, mit sehr detaillierter Erinnerung an den Trauminhalt. Dieses Traumerleben ist sehr lebhaft, Themen sind die Bedrohung des Lebens, der Sicherheit oder der Selbstachtung. Oft besteht eine Wiederholung gleicher oder ähnlicher erschreckender Alptraumthemen. Während einer typischen Episode besteht eine autonome Stimulation, aber kein wahrnehmbares Schreien oder Körperbewegungen. Nach dem Aufwachen wird der Patient rasch lebhaft und orientiert. Die Krankheitshäufigkeit von Parasomnien liegt bei Kindern unter zwölf Jahren bei bis zu 12,5 %, bei Erwachsenen bei 1 % bis 4 %.
Die Schlafstörungen verursachen ein klinisch bedeutsames Leiden der Betroffenen oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Psychische Erkrankungen sind in sehr vielen Fällen Ursachen von Schlafstörungen.
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Nur für wenige Bereiche des Erlebens und Verhaltens interessieren sich die Menschen mehr als für das Sexualverhalten. Weil sexuelle Empfindungen so sehr zu unserer Entwicklung und unserem täglichen Erleben gehören, weil die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse so eng mit sexueller Aktivität zusammenhängt und weil unser Selbstwertgefühl so stark an die sexuelle Leistung gebunden ist, kreisen sowohl persönliche Gedanken als auch öffentliche Diskussionen häufig um dieses Thema. Dem entsprechend weckt gestörtes Sexualverhalten mehr Interesse als fast alle anderen Formen gestörten Erlebens und Verhaltens. Die meisten Menschen sind fasziniert von den sexuellen Problemen anderer und machen sich Sorgen, ob ihre eigene Sexualität normal ist. Unsere Gesellschaft ist so neugierig auf gestörtes Sexualverhalten und verbindet soviel Scham damit, dass viele Menschen mit Problemen in diesem Bereich deswegen noch zusätzlich unter Angst, Schuldgefühlen oder Ekel vor sich selbst zu leiden haben.
Es gibt zwei Arten sexueller Störungen: sexuelle Funktionsstörungen und Paraphilien.
Bei Menschen mit sexuellen Funktionsstörungen liegt eine anhaltende oder wiederkehrende Hemmung in einem bestimmten Abschnitt des menschlichen sexuellen Reaktionszyklus vor. Sie werden beispielsweise nicht sexuell erregt oder erreichen keinen Orgasmus. Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit, verhindern die von der betroffenen Person gewünschte sexuelle Beziehung. Die sexuellen Reaktionen sind psychosomatische Prozesse, d.h. bei der Entstehung von sexuellen Funktionsstörungen sind gewöhnlich sowohl psychologische als auch somatische Prozesse beteiligt. Zu dieser Klasse von Störungen gehört der Mangel oder Verlust des sexuellen Verlangens als Grundproblem, welcher nicht auf anderen sexuellen Störungen wie Erektionsstörungen oder Dyspareunie beruht. Bei der sexuellen Aversion und mangelnden sexuellen Befriedigung ist der Bereich sexueller Partnerbeziehungen mit so großer Furcht oder Angst verbunden, dass sexuelle Aktivitäten vermieden werden (sexuelle Aversion) oder sexuelle Reaktionen verlaufen normal und ein Orgasmus wird erlebt, aber ohne die entsprechende Lust daran (Mangel an sexueller Befriedigung). Beim Versagen genitaler Reaktionen ist bei Männern das Hauptproblem die Erektionsstörung (Schwierigkeit, eine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr notwendige Erektion zu erlangen oder aufrecht zu erhalten). Bei Frauen ist das Hauptproblem mangelnde oder fehlende vaginale Lubrikation. Von einer Orgasmusstörung spricht man, wenn der Orgasmus nicht oder nur stark verzögert eintritt. Als Ejaculatio praecox bezeichnet man die Unfähigkeit, die Ejakulation ausreichend zu kontrollieren, damit der Geschlechtsverkehr für beide Partner befriedigend ist. Der nichtorganischer Vaginismus ist der Spasmus der die Vagina umgebenden Beckenbodenmuskulatur, wodurch der Introitus vaginae verschlossen wird. Die Immission des Penis ist unmöglich oder schmerzhaft. Eine nichtorganische Dyspareunie (Schmerzen während des Sexualverkehrs) tritt sowohl bei Frauen als auch bei Männern auf. Sie kann häufig einem lokalen krankhaften Geschehen zugeordnet werden. Zudem gibt es noch das gesteigerte sexuelle Verlangen. Einzelne Symptome sexueller Funktionsstörungen sind in der Bevölkerung vermutlich weit verbreitet. So gaben in einer Untersuchung an Hausarztpatienten 34% der männlichen und 41% der weiblichen Patienten an, aktuell unter sexuellen Beschwerden zu leiden, von denen sich jeweils zwei Drittel der Männer und knapp die Hälfte der Frauen auch professionelle Hilfe wünschten. Allerdings erhielt nur jeder zehnte von den betroffenen Patienten auch eine entsprechende Versorgung.
Menschen mit Paraphilien haben über mindestens sechs Monate wiederkehrende, starke sexuelle Impulse und sexuell erregende Phantasien zu sexuellen Objekten oder Situationen, die in der jeweiligen Gesellschaft als unangemessen gelten. Beispielsweise erregt sie sexuelle Aktivität mit Kindern, das Entblößen ihrer Genitalien vor Fremden, das Berühren und Sich- Reiben an einer nicht einwilligenden Person oder der Gebrauch von unbelebten Objekten wie Schuhen, Dessous (Fetischen). Die Betroffenen agieren diese Impulse manchmal auch aus oder die Bedürfnisse/Phantasien verursachen deutliches Leid oder zwischenmenschliche Schwierigkeiten. Die Befundlage zur Häufigkeit von Paraphilien sieht noch dürftig aus, was nicht zuletzt daran liegt, dass von der statistischen Norm abweichendes Sexualverhalten häufig deutlich schambesetzt ist.
Zusätzlich zu diesen sexuellen Störungen gibt es die Störungen der Geschlechtsidentität. Die von diesen sexualitätsbezogenen Störungen Betroffenen haben durchgängig das Gefühl, dem falschen Geschlecht anzugehören, und identifizieren sich mit dem anderen Geschlecht.